IG zu Fuß, Tag 11 – Entschleunigung und Low-Tech
Was gibt es Schöneres, als an einem so sonnigen, warmen Tag wie heute zu Fuß zur Arbeit zu gehen? Erstaunlich, dass fast alle das offenbar ganz anders sehen. Anders kann ich mir nicht erklären, wieso die Straßen voll, laut und stinkig sind.
Zum Glück gibts in Wien ja noch den einen oder anderen Park, der noch keinem Hotelbau zum Opfer gefallen ist, wie jener beim Technischen Museum, der in aller Stille an einen „Investor“ zwecks Errichtung eines Hotels „vergeben“ wurde. Die Gewinne sind natürlich privat. Schade ist allerdings nicht um das Grundstück, es liegt verkehrsgünstig neben der Johnstraße. Dort würd sich eh freiwillig keiner hinsetzen um zu tschillen (Werner, das ist für dich!)
Auf Ö1 lief heute eine sehr angenehme Sendung über Lowtech und Entschleunigung. Mit der Botschaft (fast hätt ich geschrieben: Messitsch) „weniger ist mehr“. Natürlich kann man sich mit einem Stehzeug fortbewegen, das für seinen Betrieb 15 kleine Computer benötigt. Mit einem Fahrrad ganz ohne Computer gehts allerdings auch. Und es geht sogar mit ein paar zusammengenähten Lappen aus Leder. Man kommt damit weiter und vor allem schneller voran, als die meisten Menschen für möglich halten würden.
Warum sollten wir auf Stehzeuge in der Stadt verzichten und stattdessen auf Low-Tech und Entschleunigung setzen? Auf den ersten Blick erscheint das wenig sinnvoll. Wenn man sich die Sache aber genauer ansieht, stellt man fest, dass unser aktuelles Verkehrskonzept viel höhere Opfer fordert als den meisten bewusst ist.
Sicher kein Argument ist, dass es zuviele Unfälle gibt. Das ist nicht der Fall. Auto fahren ist zwar vielleicht nicht so sicher wie fliegen oder Eisenbahn fahren, aber dennoch inzwischen viel sicherer als früher. Und 100prozentig sicher war Straßenverkehr nie – man denke nur an den Nobelpreisträger Pierre Curie, der 1906 bei einem Unfall mit einer Droschke starb.
Die Anzahl der Verkehrstoten ist in Österreich sicher nicht vernachlässigbar, aber: rund 70 Prozent aller Todesursachen sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Wen’s interessiert: die genauen Zahlen findet ihr bei Statistik Austria (im Netz ist nur eine Auswahl der Daten, genauere Zahlen erfährt man auf Nachfrage.)
Eine Zahl fällt auf: 1.261. Soviele Menschen wollten 2010 nicht mehr leben, obwohl der Lebensstandard in Österreich so hoch ist wie in nur wenigen anderen Ländern der Erde. Depression ist eine Krankheit, die sich auf die Volkswirtschaft schädlicher auswirkt als die meisten anderen Krankheiten, weil sie keine vorübergehende, sondern eine lang andauernde Sache ist, die dazu führen kann, dass der Betroffene permanent arbeitsunfähig wird. Ich will jetzt nicht breittreten, warum Menschen depressiv werden (und bin auch gar nicht kompetent auf diesem Gebiet), aber zu den Ursachen gehören unter anderem: negativ empfundener Stress, zum Beispiel durch Arbeitsbedingungen, Lärm in der Nacht, Existenzängste (die daher rühren, dass Menschen Angst haben ihre Arbeit zu verlieren um ihren Lebensstandard halten zu können) und Ähnliches.
Noch hat sich nicht herumgesprochen, dass Stress aus dem System nehmen kann, indem man auf gewisse Dinge einfach verzichtet – Urlaub am Donauhäufl ist auch ganz OK., fahren kann man auch mit der U-Bahn statt mit dem Auto, und im TV läuft eh nur Schrott – ist absolut verzichtbar (empirisch bewiesen! Man kriegt keine Krankheiten davon und so. Nicht einmal Pickel.)
In unserer Zivilisation gilt das Recht des Stärkeren. Schwächere müssen Rücksicht nehmen, „wer zahlt, schafft an“. Das gilt eigentlich für fast alles – egal ob im Straßenverkehr (es gibt eine klare Hackordnung: Autos – Radler – Fußgänger) oder bei internationalen Abkommen (Staaten, die kein Geld haben – aus egal welchen Gründen – können nicht mal über ihre eigenen Belange verfügen. Und ich meine NICHT Griechenland. Es gibt Staaten, denen Grund und Boden „abgekauft“ wird, und deren Bevölkerung sich dann nicht mehr versorgen kann. In anderen Staaten wurden die Meere leergefischt und anschließend mit Müll verseucht. Et cetera. Einfach nur ein bisschen Nachrichten hören, dann wisst ihr Bescheid was ich meine.)
Um wieder auf den Boden zu kommen: auf Autos verzichten würde sicherlich nicht die Welt retten. Aber es würde das Leben für alle, die Autos von außen hören und vor ihnen davonlaufen müssen (Kinder zum Beispiel) sehr viel lebenswerter machen. Wir wissen, dass Pflanzen sich sehr beruhigend auf Menschen auswirken. Was wäre also so verkehrt daran, in der Stadt für mehr Grünflächen zu sorgen? Wenn wir das hinkriegen würden, müssten nicht soviele Menschen aufs Land ziehen – um dort die Landschaft weiter zu zerstören. Eine Überlegung wär das doch wert. Oder?
PS: Hab gerade ein Bahnticket für den SpaceTweetup gebucht. War nicht wesentlich teurer als ein billiger Flug. Das war’s mir wert.
PPS: Heute tat’s mir Leid, dass ich den Fotoapparat nicht griffbereit hatte. Sonst hätte ich euch zeigen können: ein Auto, das auf der „Renn-um-dein-Leben“-Kreuzung mitten auf dem Zebrastreifen stand, und ein Stehzeug mit italienischem Kennzeichen, das zielstrebig hinter der Bim auf dem Straßenbahn-Fahrstreifen vor dem Technischen Museum durchzog. Der Fahrer hat mir fast Leid getan. Am Ende dürfte ihm gedämmert sein, dass er die richtige Straße verfehlt hatte, zumindest wollte er zurückzuschieben.
Freitag 19 August 2011 11:30
Grünflächen in der Stadt…
Letztes Wochenende bin ich in Jedenspeigen gewesen bei dem Mittelalterfest. Ich war als recht erfreut eine Autobahn vorzufinden, die einfach von der Süd-Ost-Tangente bis fast nach Mistelbach führt. Wie zur Zeit üblich ist diese Autobahn an den Rändern mit Erdwällen versehen. Die Strecke nach Mistelbach ist garantiert nicht Landschaftlich sehenswert, bleibt dem Autofahrer nur der Blick auf die Begrenzungen, diese Wälle eben. Lobenswerterweise sind diese Wälle grün, nicht mit Farbe sondern mit Gras.
Allerdings frage ich mich wieso man auf diesen Wall oben nicht Bäumchen Pflanzt?
Ich finde es gibt viel zu wenig Bäume. Wir brauchen viel mehr Bäume wieder. Ich sehe nur immer wieder Bäume verschwinden, teilweise Baumriesen und Mega Schattenspender. Es kann doch nicht so schwer sein, ein Bäumchen zu pflanzen und ich bin sicher, also zigtausendprozentig sicher, dass man in Wien problemlos mehrere tausend Bäume pflanzen könne, wenn man nur wollte…
Freitag 19 August 2011 12:22
Wie wahr. In Deutschland wird grad diskutiert die Bäume umzuschneiden, die „zu nah an der Straße stehen“ (sprich alles was Alle ist). Wie schon der berühmte Forscher Yggdrasilowitsch feststellte: der Deutsche Allebaum ist von Natur aus bösartig. Weil sich immer wieder Menschen dran verletzen (nachzulesen in „Die springenden Alleebäume“ von Herbert Rosendorfer).
Zum Thema Bäume und Mikroklima: die Universitätssternwarte war ursprünglich von einem Garten umgeben. Dann reiste einer der Astronomen in die USA (weiß nicht wer, schlagmichtot), und lernte dort, dass die Beobachtungen besser gelingen, wenn um die Sternwarte herum ein Wald gepflanzt ist. Weniger Aufheizen tagsüber, besseres Mikroklima. Daher wurde rund um die Universitätssternwarte ein Wald gepflanzt, der jetzt noch steht (wurde in den 1960er Jahren gerettet.)
Verbesserung des Mikroklimas wäre denke ich mit mit Baumpflanzungen in der ganzen Stadt möglich.