Buchrezension: Die Astronomie und der liebe Gott
Wenn Sie ein Buch mit umfassender Einführung über Astronomie suchen, kaufen Sie lieber ein anderes. Obwohl Sie nicht wenig über den Aufbau des Universums erfahren werden, wenn auch in völlig anderer Form als in anderen Büchern zum Thema. Nicht einmal bei seinem Wissensgebiet kann der Autor ernst bleiben – und doch ist ihm alles, was er in diesem Buch schreibt und vermittelt, offenbar mehr als ernst.
Also: Wenn Sie was zu lachen haben wollen und sich bei intelligenter Lektüre gut amüsieren möchten, ist dieses Buch genau richtig. Allerdings geht es keineswegs, wie der Titel vermuten lässt, um eine Religionsdebatte – um diese allerdings auch. Und in dieser stellt der Autor nicht die Frage, ob es Gott gibt oder nicht, sondern stellt unmissverständlich klar, dass er nicht an einen solchen glaubt. Bei dieser Gelegenheit wird auch nicht wenig Spott in Richtung der Astrologen vergossen.
Aber die Botschaft geht wesentlich weiter. Wie haben Naturwissenschaften unser Weltbild und unsere Gesellschaft geprägt? Was ist überhaupt ein Weltbild? (Im Gegensatz zu einer Weltanschauung?)
Die Reise beginnt in Bad Schallerbach. Dort hat der Autor seine Kindheit und Jugend verbracht und erste Erfahrungen mit Politik gemacht, nämlich bei seinen Eltern, die (der Vater: Eisenbahner) stets über „die Schwarzen“ gelästert haben. Warum ich das erwähne? Ich wuchs nicht weit davon auf, fast in Hörweite von Bad Schallerbach (in ruhigen Nächten hörte man bei uns die „Lilo“, die Linzer Lokalbahn), und bei meinen Eltern (Bauern) wurde in vermutlich ähnlichem Tonfall über „die Roten“ geschimpft. Vielleicht fand ich diese Ausführungen deshalb sehr erheiternd.
Sodann widmet sich der Autor dem Aufbau des Universums, wobei er sich von einer völlig anderen Seite nähert als die meisten anderen seiner Zunft: von der anschaulichen, mit Rücksicht auf den Hausverstand. Dieser wird allerdings gleich nach einigen Ecken wieder stehen gelassen, weil Weinberger nämlich eindringlich demonstriert: der Hausverstand bringt uns im Universum, speziell bei der Vorstellung exotischer Objekte, nicht weiter.
Die weiteren zwei Drittel des Buches befassen sich mit Philosophischem, Metaphysischem und schlichten Definitionen. Was ist Wahrheit? Im Gegensatz zu Wissen? Für mich sehr aufschlussreiche Kapitel. Wir verwenden in unserer Alltagssprache und sogar in intellektuellen Diskussionen Begriffe, ohne uns ihrer genauen Bedeutung bewusst zu sein. Schande über mich, aber ich weiß, ich bin in bester Gesellschaft. Gerade deshalb fand ich diese Kapitel über Wirklichkeit im Gegensatz zu Realität im Gegensatz zu Wahrheit sehr aufschlussreich. Und wer jetzt eine langweilige lexikalische Definition erwartet, wird enttäuscht: kein Satz, dem nicht eine scherzhafte Bemerkung oder Pointe fällt. Nicht selten fühlte ich mich bei der Lektüre an ein Programm von Josi Prokopetz erinnert, in dem er geschlagene 10 Minuten lang die verschiedenen Bedeutungen von „geh“ erklärt, ohne sich ein einziges Mal zu wiederholen. Und das auch noch extrem kurzweilig.
Das Kapitel über Religion war mir angesichts der langen Anbahnung an das Thema und dessen, was ich mir an Ausführung vom Autor erwartet hätte, fast etwas zu handzahm. Wurde hier der Autor vom Verlag gedrängt, „endlich zu schicken, was fertig wäre“? Oder wollte er sich dann doch mit niemandem anlegen? Wie auch immer – interessant sind die Ausführungen allemal. Brauchen wir Religion oder Gott, um im Leben einen Sinn zu finden? Nein, meint Weinberger, und erklärt auch, warum.
Dafür taucht am Ende des Buches ein Kapitel auf, bei dem sich der Autor weit aus dem Fenster lehnt: er fordert Objektivität im Umgang mit der NS-Zeit. Ich schließe mich dem an und bedaure, dass man nicht ohne weiteres an die Lektüre von „Mein Kampf“ oder die Filme von Leni Riefenstahl herankommt. Mich würden diese Dinge interessieren, obwoh ich den Gräueltaten des NS-Regimes sicher nichts Positives abgewinnen kann – ebensowenig der Autor.
Fazit: ein erfischend anderes Buch über Astronomie und die Welt, in der wir leben. Dass man keinen Absatz lesen kann, ohne nicht mindestens einmal zu kichern, verhindert nicht, dass man viel Stoff zum Nachdenken bekommt. Vor allem zum kritischen Nachdenken.
Ronald Weinberger: „Die Astronomie und der liebe Gott“
Frevelhafte Gedanken eines „typischen“ Naturwissenschaftlers
Sachbuch, Wagner Verlag, ISBN 978-3-86683-441-5
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