IG zu Fuß, Tag 20 – Schlussgedanken
Heute ist der letzte Tag meines Projekts IG-zu-Fuß. Heißt das, dass ich nun wieder aufhöre zu Fuß ins Büro zu gehen? Ganz bestimmt nicht. Ich werde vielleicht nicht jeden Tag gehen, aber doch regelmäßig, wie ich es auch früher schon getan habe. Ich bin schon viel zu Fuß gegangen, als ich zum Studieren nach Wien kam (wann das war? Geht euch nix an.) und kann mir nicht vorstellen damit aufzuhören, wenn nicht schwerwiegende Gründe dagegen sprechen. (Bild: Lucie Kärcher/Pixelio.de)
Ich lebe gern in der Stadt, wegen der vielen Möglichkeiten, die sie bietet: Kino. Kunst. Kultur. Kaufmeilen. Kommunikation. Zugleich habe ich aber auch gerne auf dem Land gelebt. Bin oft im Wald spazieren gegangen und habe mich an eine Quelle oder einen Bach gesetzt. Das geht in der Stadt nicht wirklich gut. Aber bin ich die einzige, die das vermisst?
Wenn Menschen an Urlaub denken, dann stellen sich die meisten eine Gegend vor, in der es keine Autos gibt (außer dem einen Mietauto, mit dem sie das Paradies erkunden wollen). Der Dschungel von Neuseeland. Die kristallklaren, türkisblauen Gewässer der Malediven. Oder meinetwegen die Menschenleere auf einer Tiroler Alm. Wenn jemand in Kairo oder Mumbai Urlaub macht, dann höchstens um Baudenkmäler zu bewundern. Sicher nicht, um den Verkehrslärm zu genießen.
Was ich daran nicht verstehe ist folgendes: Arbeitende Menschen, wenn sie nicht gerade Lehrer sind, haben in unserer Gegend zirka 5 Wochen Urlaub pro Jahr. Das Jahr hat 52 Wochen. Bleiben also 47 Wochen, in denen wir hier leben. Warum versuchen wir die kärglichen 5 Wochen im Paradies zu verbringen (welche das Jenseits, das uns in früherer Zeit versprochen wurde abgelöst haben, weil daran eh keiner mehr glaubt), und machen uns die restlichen 47 Wochen zur Hölle? Könnte man da nicht ansetzen?
Wer es sich leisten kann, zieht in ein Häuschen auf dem Land, wo dann bitteschön außer ihm keiner mit dem Auto hinfahren soll. Um auch die restlichen 47 Wochen pro Jahr „Urlaub“ zu haben. Um ein kleines Paradies genießen zu können.
Dass dabei stückweise Land, das ursprünglich für alle nutzbar war, verloren geht, ist solchen Leuten egal. Wenn sie könnten, würden sie sogar den Wienerwald parzellieren und zubetonieren, nur damit eine Handvoll Leute ein bisschen Paradies genießen können – das auch keines mehr wäre, weil natürlich jeder mit seiner stinkenden, kleinen Blechschüssel zu seinem Häuschen fahren müsste.
Gerade der Wienerwald ist ein schönes Beispiel, wie ein Stück Land so genützt werden kann, dass alle etwas davon haben, nicht nur eine kleine Handvoll Egoisten. Er ist von Wien aus in höchstens einer Stunde erreichbar und bietet Ruhe und Erholung, für die man kein kleines Vermögen auf den Tisch eines Reiseveranstalters legen muss. Von dem Ersparten kann man sich in einer Hütte einen Kaffee und in einer anderen ein Rindsgulasch leisten (oder Somlauer Nockerl, wenn man kein Fleisch mag). Allerdings sollte man tunlichst die Höhenstraße vermeiden. Dort hat man nämlich wieder Zustände wie in der Stadt – laute, stinkende Fahrzeuge.
Ein gescheiter Mann (ihr wisst sicher, wer) sagte einmal: „Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.„ Das habe ich mit meinem Experiment sichtbar zu machen versucht.
Ich wünsche mir, dass mehr Menschen bewusst wird, wieviel Lärm und Gestank wir mit unserer „Mobilität“, die oft keine mehr ist, auf uns nehmen, und vieviel Lebensqualität dadurch verloren geht, für alle, auch für jene, die selbst ein Auto besitzen. Das ist nicht normal, und es muss auch nicht so sein.
Außerdem wünsche ich mir, dass viele, nicht nur ein paar phantasiebegabte Menschen, es schaffen, sich vorzustellen, wie paradiesisch eine Stadt ohne Autos, dafür mit grünen, blühenden Inseln wäre. Alle würden unglaublich viel gewinnen – Ruhe und wachsende Natur – mitten in der Stadt. Dass das eines Tages Realität wird, das wünsche ich mir.
Mache mich jetzt auf den Weg, um einen Gast vom Westbahnhof abzuholen. Zu Fuß natürlich 😀
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